Die fristlose Kündigung Schwerbehinderter ist nicht ohne Weiteres möglich. Um der besonderen Schutzwürdigkeit dieser Personengruppe im Betrieb Rechnung zu tragen, sieht das Gesetz für deren Kündigung ein besonderes Verfahren vor. Wie dieses aussieht und was Sie als betroffener Arbeitnehmer tun können, erläutert der folgende Beitrag.
- Haben Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz?
- Wann liegt eine Schwerbehinderung vor?
- Wann kann einem Schwerbehinderten gekündigt werden?
- Wann schaltet sich das Integrationsamt ein?
- Wie kann ich mich als Schwerbehinderter gegen eine fristlose Kündigung wehren?
- Kann ich als Schwerbehinderter fristlos kündigen?
- Fazit – Fristlose Kündigung Schwerbehinderter –
1. Haben Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz?
Ja, wenn Sie schwerbehindert sind und eine fristlose Kündigung von Ihrem Arbeitgeber erhalten haben, müssen Sie nicht sofort in Panik verfallen. Das Gesetz sieht für Sie einen besonderen Kündigungsschutz vor, der im Sozialgesetzbuch normiert ist (§§ 168-175 SGB IX).
Möchte der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen, unterscheidet das Gesetz grundsätzlich zwischen einer ordentlichen Kündigung und einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung.
Die ordentliche Kündigung ist an eine Frist gebunden (§ 622 BGB). Dies stellt den Normalfall dar. Die Frist soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzubereiten und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
Die außerordentliche Kündigung kann hingegen nur ausnahmsweise ausgesprochen werden, wenn ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt (§ 626 BGB). Dieser muss so gravierend sein, dass das Abwarten der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das Vertrauensverhältnis muss derart zerstört worden sein, dass eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht kommt. Die Kündigung kann dann fristlos erfolgen. Sie muss jedoch innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntwerden des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden.
Bei Schwerbehinderten ist zusätzlich ein besonderes Verfahren einzuhalten, damit die Kündigung wirksam ist. Ihr Arbeitgeber muss, bevor er Ihnen kündigen möchte, die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Ohne die Zustimmung des Integrationsamtes ist eine Kündigung grundsätzlich unwirksam. Dies gilt selbst dann, wenn die Kündigung ansonsten gerechtfertigt wäre.
2. Wann liegt eine Schwerbehinderung vor?
Der Sonderkündigungsschutz gilt für alle Schwerbehinderten, unabhängig davon, ob Sie Auszubildender sind oder eine leitende Position im Unternehmen haben. Auch die Größe des Betriebes ist für die Anwendung des Schutzes irrelevant. Damit werden Schwerbehinderte auch in Kleinbetrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz nur in Teilen Anwendung findet, besonders geschützt.
Schwerbehindert ist eine Person ab einem Grad der Behinderung von 50. Ab einem Grad der Behinderung von 30 ist eine Gleichstellung möglich. Hierzu ist ein gesonderter Antrag erforderlich, der bewilligt worden sein muss. Dafür ist notwendig, dass der Betroffene wegen der körperlichen Behinderung keine passende Arbeitsstelle findet bzw. diese aufgeben musste.
Die Schwerbehinderteneigenschaft muss zudem offenkundig sein oder zum Zeitpunkt der Kündigung amtlich festgestellt worden sein. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Betroffene spätestens drei Wochen, bevor ihm das Kündigungsschreiben zugegangen ist, bereits einen Antrag auf Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hat, die Voraussetzungen dafür vorlagen und dieser Antrag zu einem späteren Zeitpunkt auch bewilligt wurde.
3. Wann kann einem Schwerbehinderten gekündigt werden?
Trotzdem schützt das Gesetz Sie nicht ausnahmslos. Auch Schwerbehinderten kann grundsätzlich gekündigt werden. Dies ist dann der Fall, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der nicht die Schwerbehinderteneigenschaft ist. Fehlverhalten auf Seiten des schwerbehinderten Arbeitnehmers wird nicht durch §§ 168 ff. SGB IX geschützt.
Mögliche Gründe, die Ihren Arbeitgeber zu einer Kündigung berechtigen sind beispielsweise:
- Wenn Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber oder Kollegen gewalttätig werden oder diese beleidigen.
- Wenn Sie Unternehmensvermögen veruntreut haben oder Unternehmenseigentum gestohlen haben.
- Wenn Sie vermehrt unentschuldigt fehlen oder vortäuschen, arbeitsunfähig zu sein.
- Wenn Sie Drogen- oder Alkohol auf der Arbeit konsumieren.
4. Wann schaltet sich das Integrationsamt ein?
Bevor Ihr Arbeitgeber Ihnen als Schwerbehinderter kündigen kann, hat er die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen.
Nachdem der Arbeitgeber das Integrationsamt kontaktiert hat, prüft dieses, ob der besonders schutzwürdige Arbeitnehmer wegen seiner Schwerbehinderung gekündigt werden kann. Nur wenn die Gründe für die Kündigung nicht in der Schwerbehinderung liegen, wird es seine Zustimmung erteilen.
Zusätzlich muss das Integrationsamt den schwerbehinderten Arbeitnehmer angehört haben und die Stellungnahme des Betriebs- bzw. Personalrates einholen, falls Ihr Unternehmen einen solchen hat. Auf diese Weise wird der besonderen Schutzwürdigkeit von Schwerbehinderten Rechnung getragen.
Beispiel 1: Die schwerbehinderte Arbeitnehmerin X ist mehrfach unentschuldigt von Ihrer Arbeitsstelle ferngeblieben, ohne sich zu entschuldigen. Der Arbeitgeber Y hat sie daraufhin abgemahnt. Nach einem erneuten Fernbleiben möchte er ihr außerordentlich fristlos kündigen. Hier ist der Kündigungsgrund nicht an die Schwerbehinderteneigenschaft der X gekoppelt. Das Integrationsamt wird seine Zustimmung voraussichtlich erteilen.
Beispiel 2: Die schwerbehinderte Arbeitnehmerin X arbeitet im Unternehmen des Y. Das Unternehmen möchte sich aus betrieblichen Gründen verkleinern und ist gezwungen eine ganze Abteilung aufzulösen. Y möchte daher der X kündigen. In Wirklichkeit besteht aber trotz Betriebsverkleinerung in einer anderen Abteilung eine freie Stelle. Das Integrationsamt wird die Zustimmung voraussichtlich nicht erteilen, da eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz im Unternehmen möglich ist.
Nur in besonderen Ausnahmefällen ist diese Zustimmung entbehrlich:
- Wenn Sie als schwerbehinderte Person selbst kündigen.
- Wenn Sie und Ihr Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag schließen.
- Wenn Sie einen befristeten Arbeitsvertrag haben. Dieser endet mit Ablauf der Befristung. Ihre Schwerbehinderteneigenschaft spielt in diesem Fall keine Rolle.
- Wenn Sie das 58. Lebensjahr vollendet haben und Ihnen eine ähnliche Leistung zusteht.
- Wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als 6 Monate besteht.
- Wenn eine weitere Ausnahme gem. § 173 SGB IX vorliegt.
5. Wie kann ich mich als Schwerbehinderter gegen eine fristlose Kündigung wehren?
Hat Ihr Arbeitgeber es versäumt, das Integrationsamt zu benachrichtigen, können Sie sofort gerichtliche Schritte gegen die Kündigung einleiten. Hierzu können Sie eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Aufgrund des Verfahrensverstoßes auf Seiten des Arbeitgebers ist davon auszugehen, dass die Kündigung als unwirksam eingestuft wird und Sie Ihren Arbeitsplatz nicht verlieren.
Doch auch, wenn die Zustimmung des Integrationsamtes vorliegt, sind Sie nicht schutzlos. Sie können die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage angreifen. Dazu haben Sie drei Wochen Zeit nach Erhalt des Kündigungsschreibens (§§ 4, 13 KSchG). Das Gericht wird dann die Rechtmäßigkeit der Kündigung prüfen. Weiterhin kann auch gegen die Entscheidung des Integrationsamtes Widerspruch eingelegt werden, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Achtung: Warten Sie nicht zu lange! Wenn Sie die dreiwöchige Frist zur Einlegung der Kündigungsschutzklage verstreichen lassen, wird das Gericht unwiderleglich vermuten, dass die Kündigung wirksam ist (§ 7 KSchG). Dies gilt selbst dann, wenn sie eigentlich fehlerhaft war. Ein späteres Vorgehen ist dann nur ausnahmsweise möglich (§ 5 KSchG).
6. Kann ich als Schwerbehinderter fristlos kündigen?
Auch der Arbeitnehmer hat das Recht, außerordentlich fristlos zu kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Häufige Kündigungsgründe sind beispielsweise:
- Wenn Ihr Arbeitgeber wiederholt Lohnzahlungen ausgelassen hat.
- Wenn Ihr Arbeitgeber körperlich übergriffig geworden ist oder Sie sexuell belästigt oder beleidigt hat.
- Wenn Ihr Arbeitgeber gegen gravierende Arbeitsschutzvorschriften verstoßen hat.
7. Fazit – Fristlose Kündigung Schwerbehinderter
- Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Integrationsamtes möglich.
- Der Arbeitgeber muss das Integrationsamt kontaktieren und um Zustimmung ersuchen, bevor er kündigen kann.
- Das Integrationsamt wird einer Kündigung voraussichtlich zustimmen, wenn der Kündigungsgrund nicht in der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers liegt.
- Als Betroffener können Sie Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes einlegen und Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung einreichen.
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