Betriebsübergang – Was Sie als Arbeitnehmer jetzt wissen müssen!

Steht der Verkauf eines Unternehmens im Raum, haben Arbeitnehmer oft Angst Ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Doch auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich mit dem Unternehmen nach seinem Belieben verfahren kann, gilt dies nicht in gleichem Maß für die Zukunft der Belegschaft. Welche Rechte Ihnen als Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang zustehen und was in diesem Fall für Sie wichtig ist, erläutert der Fachanwalt für Arbeitsrecht Lars Middel.

Betriebsübergang
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Inhalt

Was ist ein Betriebsübergang?

Von einem Betriebsübergang spricht man, wenn der ganze Betrieb oder Betriebsteile veräußert werden und das Unternehmen seinen Inhaber wechselt. Nur die Arbeitnehmer, die im veräußerten Teil des Betriebs beschäftigt werden, sind vom Betriebsübergang betroffen. Alle anderen Arbeitsverhältnisse bleiben unberührt. Es ist für Sie daher wichtig zu unterscheiden, welche Bereiche des Betriebes veräußert werden oder ob der gesamte Betrieb übergeht. Hierzu wird eine Gesamtbetrachtung gemacht, bei der verschiedene Kriterien ausschlaggebend sind: 

  • Welche Art hat das betreffende Unternehmen?
  • Wie viele sachliche Betriebsmittel gehen über (z.B. Maschinen, Gebäude, Anlagen)?
  • Wie viele immaterielle Betriebsmittel gehen über (z.B. Know-How, Kundschaften, Lieferbeziehungen)?
  • Wird die Hauptbelegschaft übernommen, vor allem Führungskräfte?
  • Sind die verrichteten Tätigkeiten nach Betriebsübergang identisch mit den vorherigen oder entstehen neue Arbeitsgebiete?

Erwerb des gesamten Betriebs

Für den Erwerb des gesamten Betriebs wird der Übergang einer „wirtschaftlichen Einheit“ vorausgesetzt. Der Betrieb muss im Wesentlichen unverändert auch beim neuen Inhaber fortbestehen. Dies ist gegeben, wenn wesentliche sachliche oder immaterielle Betriebsmittel übergehen und auch eine große Anzahl der ursprünglichen Belegschaft weiterbeschäftigt wird. Entscheidend ist auch, ob die ursprüngliche Arbeitsorganisation fortgeführt wird. 

In produzierenden Betrieben ist dies meist der Fall, wenn die Produktionsstätte veräußert wird.

Im Dienstleistungs- und Handelssektor hängt der wirtschaftliche Erfolg hingegen mehr von Know-How und Kundenbeziehungen ab. 

Erwerb von Anteilen des Betriebs: Asset-Deal

Kommt man nach der Prüfung aller Kriterien zu dem Schluss, dass nicht der gesamte, sondern nur Teile des Betriebs veräußert werden, spricht man von einem Asset-Deal. Hier ist zu beachten, dass die veräußerten Teile eine eigene „wirtschaftliche Einheit“ darstellen müssen.

Beispiel:

Eine Filiale einer Bäckereikette wird verkauft.

Share Deal, Outsourcing und Stilllegung stellen keinen Betriebsübergang dar

Von einem Share Deal ist die Rede, wenn lediglich die Anteilseigner wechseln. Der Begriff „Share“ meint hier also Aktie, oder Anteil. Die Übertragung der Geschäftsanteile auf neue Gesellschafter stellt also per se keinen Wechsel des Betriebsinhabers dar. Der Arbeitgeber bleibt bestehen, sodass § 613a BGB keine Anwendung findet. Ein eventuell geplanter Personalabbau richtet sich dann allein nach dem Kündigungsschutzgesetz.

Beim klassischen Outsourcing wird hingegen nur eine Aufgabe übernommen, die sonst im ursprünglichen Unternehmen verrichtet wurde. Dies ist kein Fall des Betriebsübergangs, wenn weder Personal noch Arbeitsmittel übernommen werden. 

Auch bei einer Stilllegung des Betriebs kommt es nicht zu einem Betriebsübergang. Voraussetzung ist, dass keine wesentliche zeitliche Unterbrechung der Betriebsfortführung bestand. Das BAG hat mit Urteil vom 22.Oktober 2009 diese Rechtsprechung bestätigt. Den konkreten Fall können Sie hier nachlesen.

„Ein Betriebsübergang und die Stilllegung des Betriebs schließen sich gegenseitig aus.“ – Melden Sie sich unter 0221 995 787 20 , wenn Sie sich um ihren Arbeitsplatz sorgen. Oder schreiben Sie mir per Mail an middel@ramiddel.de.

Welche Auswirkungen hat der Betriebsübergang auf Ihr Arbeitsverhältnis?

Mit einem Betriebsübergang sollen Massenkündigungen durch den Arbeitgeber verhindert werden. Hier schützt § 613a BGB Sie als Arbeitnehmer. Die Norm regelt, dass bei einem Übergang des Betriebs oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den ursprünglichen Arbeitsverhältnissen eintritt. 

Einfach gesagt: Der neue Inhaber wird automatisch zu Ihrem neuen Arbeitgeber. Alle Rechte und Pflichten aus dem vorherigen Arbeitsverhältnis bleiben bestehen und Sie arbeiten ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs für ihn. Zudem bekommen Sie ebenfalls von ihm Ihr Gehalt ausgezahlt. 

Geschützt wird jede Person, die beim ursprünglichen Arbeitgeber angestellt ist (z.B. Auszubildende, Angestellte in Elternzeit, nicht hingegen freie Mitarbeiter). Zudem können Arbeitgeber nicht einfach vereinbaren, dass von § 613a BGB abgewichen wird. 

Achtung: Sie sind nicht verpflichtet einen neuen Arbeitsvertrag zu unterschreiben! Häufig wird dieser schlechtere Konditionen enthalten, die für Sie von Nachteil sind. Eine Änderung der ursprünglichen Konditionen durch den neuen Arbeitgeber ist zwar nach Betriebsübergang grundsätzlich möglich, bedarf jedoch immer Ihrer Zustimmung. 

Wie können Sie sich gegen einen Betriebsübergang wehren?

Als betroffener Arbeitnehmer sind Sie nicht gezwungen den Betriebsübergang wortlos hinzunehmen. § 613a Abs. 6 BGB gibt Ihnen ein Widerspruchsrecht, wenn Sie mit dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht einverstanden sind. Der Widerspruch muss hierzu schriftlich innerhalb eines Monats, nachdem Sie von dem Betriebsübergang informiert wurden, gegenüber Ihrem neuen oder alten Betriebsinhaber erfolgen. Eine Begründung ist hingegen nicht erforderlich. Die Folge des Widerspruchs ist dann, dass Ihr Arbeitsverhältnis mit dem ursprünglichen Arbeitgeber bestehen bleibt. 

Ein Widerspruch ist vor allem dann sinnvoll, wenn nur ein Teil des Betriebes veräußert wird und die Möglichkeit besteht in dem verbleibenden Teil weiterbeschäftigt zu werden. Umgekehrt besteht das Risiko, dass der Arbeitgeber Ihnen nach Ihrem Widerspruch betriebsbedingt kündigen kann, wenn eine Weiterbeschäftigung für Sie nicht möglich ist. 

Vertrauen Sie auf unsere Erfahrung im Arbeitsrecht und lassen Sie uns gerne prüfen, wie Ihre Chancen stehen. Wir können einschätzen, ob ein Widerspruch für Sie in Betracht kommt!

Beispiel – Arbeitnehmererklärung zum Betriebsübergang: 

Muster-GmbH

Personalleitung

Herrn/Frau X 

Arbeitnehmererklärung gem. §613a Abs.5 BGB zum Betriebsübergang des Geschäftsbereichs X der Muster-GmbH auf die Muster-AG

Sehr geehrte/r Frau/Herr X,

hiermit nehme ich Bezug auf die Unterrichtung vom 1.6.2022 gem. §613a Abs.5 BGB und widerspreche dem Übergang meines Arbeitsverhältnisses von der Muster-GmbH auf die Muster-AG.

Mit freundlichen Grüßen

Ort, Datum

Unterschrift Arbeitnehmer

Muss der Arbeitgeber Sie über einen Betriebsübergang informieren?

Nicht selten bekommen Arbeitnehmer von der Planung eines Betriebsübergangs nichts mit. Sie werden im Vorfeld nicht gefragt, ob sie ihren Arbeitgeber wechseln möchten. Daher enthält § 613a Abs. 5 BGB eine Pflicht, Sie zeitnah über den anstehenden Betriebsübergang zu informieren und zu unterrichten. Hierbei muss entweder Ihr ursprünglicher oder Ihr neuer Arbeitgeber Ihnen schriftlich mitteilen

  • wann der geplante Zeitpunkt des Betriebsübergangs ist.
  • aus welchem  Grund der Betrieb übergehen wird. Gleiches gilt für Informationen, die für Ihren Widerspruch relevant sein können. (z.B. das Einstellen des Betriebs – hier wäre eine weitere Beschäftigung im Betrieb nicht möglich und ein Widerspruch gegebenenfalls sinnlos).
  • welche rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sich für Sie durch die geplanten Maßnahmen ergeben werden (z.B. Änderungen Ihres Kündigungsschutzes oder anstehende Weiterbildungsmaßnahmen für Ihre berufliche Entwicklung). 

Achtung: Die Einhaltung der Informationspflichten ist für Ihren Widerspruch wichtig! Die einmonatige Widerspruchsfrist für Arbeitnehmer beginnt nämlich erst zu laufen, wenn diese ausreichend informiert wurden. Geschieht dies nicht, so kann auch noch zu einem späteren Zeitpunkt (teilweise nach Monaten oder Jahren) dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen werden.

Kann der Arbeitgeber Sie wegen des Betriebsübergangs kündigen?

Nein, weder Ihr ursprünglicher noch Ihr neuer Arbeitgeber kann Ihnen in diesem Fall kündigen (§ 613a Abs. 4 BGB). Etwas anderes ergibt sich jedoch für personen- und verhaltensbedingte Kündigungen. Ist der Grund für die Kündigung demnach ein anderer als der Betriebsübergang, bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit der Kündigung. 

Beispiel: Trotz vorheriger Abmahnung durch den ursprünglichen Arbeitgeber erscheint Arbeitnehmer X wiederholt nicht zur Arbeit. Der neue Arbeitgeber Y kündigt ihm daraufhin. Hier liegt der Grund der Kündigung im Verhalten des X. Eine Kündigung ist möglich. 

Wer haftet nach Betriebsübergang?

Trotz Betriebsübergang kann sich der ursprüngliche Arbeitgeber nicht aus seiner Verantwortung ziehen. Sowohl er, als auch Ihr neuer Arbeitgeber haften für Verpflichtungen aus Ihrem Arbeitsverhältnis. Hierzu muss es sich um Ansprüche handeln, die bereits vor Betriebsübergang bestanden haben. Für alle Ansprüche, die nach dem Betriebsübergang entstanden sind, haftet der neue Arbeitgeber uneingeschränkt. 

Beispiel: Haben Sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch Lohnansprüche gegenüber Ihrem alten Arbeitgeber, die noch nicht erfüllt wurden, können Sie den Lohn wahlweise von ihm oder Ihrem neuen Arbeitgeber fordern. Man spricht von einer gesamtschuldnerischen Haftung (§ 421 BGB).

Wir empfehlen, bereits vor dem Betriebsübergang Rechtsrat zu suchen, um rechtzeitig allen Widrigkeiten entgegenzuwirken. Wir haben bereits zahlreiche Mandanten diesbezüglich beraten und vertreten. Sie erreichen uns unter 0221 995 787 20 oder info@ramiddel.de.

Fazit – Wenn ein Betriebsübergang bevorsteht

  • Bei einem Betriebsübergang werden der gesamte Betrieb oder Betriebsteile veräußert. Der neue Inhaber wird dann zu Ihrem neuen Arbeitgeber und tritt in die Rechte und Pflichten des bestehenden Arbeitsverhältnisses ein.
  • Möchten Sie sich gegen den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses wehren, haben Sie ein Widerspruchsrecht.
  • Den Alten und neuen Arbeitgeber treffen Unterrichtungspflichten.
  • Die einmonatige Widerspruchsfrist ist an die Unterrichtung durch den Arbeitgeber geknüpft und beginnt erst nach ordnungsgemäßer Information zu laufen.
  • Ihnen kann nicht mit dem Grund des Betriebsübergangs gekündigt werden.

 

Bilderquellennachweis: © danielsko | PantherMedia

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