Viele Arbeitnehmer beschäftigt die Frage, ob ihr Arbeitgeber ihnen während einer Krankheit bzw. einer Arbeitsunfähigkeit durch eine Erkrankung kündigen kann, oder ob sie Kündigungsschutz bei Krankheit haben.
Dabei wird häufig vertreten, dass die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung des behandelnden Arztes vor einer Kündigung in jedem Fall schützt.
Allerdings besteht während einer Erkrankung kein besonderer Kündigungsschutz und der Arbeitgeber kann unter bestimmten Umständen auch eine Kündigung aussprechen.
Ich erkläre in diesem Beitrag, unter welchen Umständen eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam sein kann.
Inhalt
- Gibt es einen besonderen Kündigungsschutz bei Krankheit?
- Unter welchen Umständen kann der Arbeitgeber wegen Krankheit kündigen?
- Was kann ich tun, wenn ich eine krankheitsbedingte Kündigung bekommen habe?
- Ist auch eine Kündigung wegen einer Corona-Erkrankung möglich?
Gibt es einen besonderen Kündigungsschutz bei Krankheit?
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist für den Arbeitgeber nur aus drei gesetzlich fixierten Gründen möglich. Nur wenn die Kündigung des Arbeitnehmers aus betriebsbedingten, verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist, ist die Kündigung auch wirksam.
Jedenfalls in den Fällen, in denen das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist (KSchG).
Dies hängt zum einen von der Betriebsgröße ab (mehr als 10 vollbeschäftigte Arbeitnehmer) und die Zeit der Betriebszugehörigkeit (mehr als 6 Monate Beschäftigung im Betrieb). Möchte ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nun wegen einer Arbeitsunfähigkeit in Folge einer Erkrankung kündigen, fällt diese Art der Kündigung unter die personenbedingte Kündigung – der Kündigungsgrund liegt also in der Person des Arbeitnehmers.
Somit ist eine krankheitsbedingte Kündigung grundsätzlich möglich.
Kein besonderer Kündigungsschutz bei Erkrankung
Etwas Anderes könnte nur dann gelten, wenn eine Arbeitsunfähigkeit durch einen besonderen Kündigungsschutz ausgeschlossen wäre.
Solche besonderen Kündigungsschutz-Tatbestände gelten etwa für Mitglieder von Mitarbeitervertretungen (Betriebsrat/Personalrat), Schwangere, Menschen mit einer Schwerbehinderung oder Arbeitnehmer in Elternzeit.
Für erkrankte Arbeitnehmer gibt es allerdings einen solchen besonderen Kündigungsschutz nicht.
AGG und EuGH: Krankheit kann Behinderung sein
Der EuGH hat allerdings entschieden, dass es auch Krankheiten geben kann, die als Behinderung angesehen werden müssen.
Eine Krankheit kann nach der Rechtsprechung des EuGH dann eine Behinderung sein, wenn diese den Arbeitnehmer daran hindert voll am Berufsleben teilzunehmen, egal ob die Krankheit heilbar ist oder nicht.
Dann wäre die Kündigung wegen der Krankheit aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen einer Diskriminierung unwirksam.
Allerdings ist nicht jede Erkrankung auch eine Behinderung.
Somit schützt weder die Krankschreibung noch die Arbeitsunfähigkeit selbst vor einer arbeitgeberseitigen krankheitsbedingten Kündigung.
Unter welchen Umständen kann der Arbeitgeber wegen Krankheit kündigen?
Doch nicht jede Krankheit oder krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers berechtigt zur Kündigung.
Es müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist:
Negative Gesundheitsprognose
Da die Kündigung für die Zukunft wirkt, muss feststehen, dass der erkrankte Arbeitnehmer auch in der Zukunft ausfallen wird.
Die Prognose, die aufgrund des Gesundheitszustandes getroffen wird, muss also zeigen, dass mit einer Heilung der Krankheit und einer Rückkehr an den Arbeitsplatz sobald nicht gerechnet werden kann.
Eine negative Gesundheitsprognose wird meistens bereits dann vermutet, wenn die Krankheitsdauer sechs Wochen überschritten hat. Dabei ist unerheblich, ob man sechs Wochen am Stück erkrankt ist oder in einem Jahr immer wieder ausfällt und eine gesamte Krankheitsdauer von mehr als sechs Wochen vorliegt.
Bei einer längerfristigen Krankheit, die kurz vor einer Heilung steht, kann einer möglichen Kündigung eine positive Prognose des Arztes entgegengehalten werden.
Bricht sich der Arbeitnehmer z.B. einen Arm, ein Bein oder das Schlüsselbein und kann mehr als sechs Wochen nicht arbeiten, droht allerdings meistens keine Kündigung, da eine Heilung durchaus erreicht sein kann oder bald nach den sechs Wochen erreicht wird.
Beeinträchtigung des Betriebs
Als zweite Voraussetzung muss es durch den Ausfall des Arbeitnehmers zu Beeinträchtigungen im Betrieb kommen. Diese können wirtschaftlicher oder auch innerbetrieblicher Natur sein.
Wenn der Arbeitnehmer beispielsweise als einziger Arbeitnehmer in einem Betrieb eine Aufgabe verrichtet, die für andere Abteilungen notwendig ist, dann kann der Ausfall zu schweren betrieblichen Beeinträchtigungen führen.
Führen die Fehlzeiten also zu einer Störung im Betriebsablauf, dann ist eine Beeinträchtigung gegeben.
Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Schlussendlich muss der Arbeitgeber die Interessen seines Betriebs und die Interessen des Arbeitnehmers gegeneinander abwägen.
Ergibt eine solche Abwägung, dass die Interessen des Arbeitgebers an einer Kündigung höher zu bewerten sind als die Bleibeinteressen des Arbeitnehmers, dann kann eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig sein.
Bei der Abwägung sind u.a. folgende Kriterien zu berücksichtigen:
- Betriebszugehörigkeit
- Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers
- Alter
- Krankheit und Ursache der Krankheit (vielleicht ist die Krankheit auch durch eine innerbetriebliche Ursache entstanden)
- Krankheitszeiten anderer Mitarbeiter bei ähnlichem Arbeitsplatz
Die Kündigung muss am Ende einer solchen Abwägung für den Arbeitgeber das letzte und mildeste Mittel sein (Ultima Ratio).
Mildere Mittel können z.B. ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) sein, die Veränderung der Wochenarbeitszeit oder die Veränderung der Aufgaben, wenn dies im Einzelfall möglich ist.
Was kann ich tun, wenn ich eine krankheitsbedingte Kündigung bekommen habe?
Haben Sie als Arbeitnehmer eine krankheitsbedingte Kündigung bekommen, sollten Sie sich in jedem Fall von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen.
Für die Einlegung einer sog. Kündigungsschutzklage, mit der die Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung vor dem Arbeitsgericht geprüft wird, haben Sie lediglich drei Wochen Zeit.
Ist die Klagefrist abgelaufen, wird auch eine eigentlich unzulässige Kündigung wirksam. Nur in Ausnahmefällen kann man auch danach eine Kündigungsschutzklage einreichen, z.B. wenn man durch die Erkrankung selbst so stark beeinträchtigt war, dass man die Klage nicht anstrengen konnte.
Zeit ist im Falle eine Kündigung durch die kurzen Fristen immer knapp. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Lars Middel berät und vertritt Arbeitnehmer in den Fällen der krankheitsbedingten Kündigung und auch in allen anderen kündigungsschutzrechtlichen Fragen.
Ist auch eine Kündigung wegen einer Corona-Erkrankung möglich?
Haben Sie sich mit dem neuartigen Covid-19-Virus angesteckt und sind an der Corona-Krankheit erkrankt, dann dürfte eine krankheitsbedingte Kündigung in vielen Fällen scheitern.
Die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung dürften bei einer Corona-Erkrankung nicht vorliegen.
In solchen Fällen dürfte nur dann etwas Anderes gelten, wenn Arbeitnehmer an den Folgen der Corona-Erkrankung an Long-Covid leiden würden. Dann könnte eine Gesundheitsprognose eventuell auch negativ ausfallen.
Haben Sie noch Fragen zum Kündigungsschutz bei Krankheit oder ein anderes Anliegen? Dann rufen Sie an unter 0221 995 787 20 oder schreiben Sie eine E-Mail an middel@ramiddel.de. Ich berate Sie gerne!
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